Tetaf, 11. August 1991

Bei Napoleon Fa`ot: Im Sonaf von Tetaf

Vorgestern im Sonaf Tetaf. wir knüpfen lose Kontakt mit den Bewohnern. Napoleon Fa`ot war nicht zu Hause. Seine erste Frau, die Kato mnasi, Jakobine Fa`ot Hitarihun, wollte uns nicht empfangen. Enttäuscht fuhren wir zurück nach So`e.

Heute sind wir angemeldet. In Kürze feiern die Atoin Meto Indonesia Merdeka. Usif Fa`ot ist irgendwo mit den Vorbereitungen zum indonesischen Nationalfeiertag beschäftigt. In zwei Stunden, heißt es, sei er zurück.
Die Kato mnasi spricht kein Indonesisch.
Sie ist die Grande Dame des Sonaf. Das merke ich sofort. Distinguiert. Höfliche Zurückhaltung. Sie tägt einen bunt gemusterten Toko-Sarung in braun und gelb, darüber eine Kebaya mit grün-silberner Rautenmusterung. Das volle graue Haar ist zu einem Knoten auf ihrem Hinterkopf hochgesteckt, den sie mit einem Bleistift fixiert hat. Das reicht ihr für den Alltag.
Mein Uab Meto reicht nur für oberflächliches Geplauder.
Wir warten im Schatten eines riesigen Lopo. Alt. Ein Denkmal auf einem über ein Meter hohen Steinsockel. Reiche Hakenmusterung. Aufgemalt und in das Holz geschnitzt.
Einen zweiten dieser Größe habe ich in Amanuban bisher nicht gesehen. Unser Gespräch fließt spärlich.
Zur Abwechslung bummeln wir zwischen den Hütten des Sonaf umher. Unter Beobachtung. Versteht sich.

Stunden später trifft Usif Fa`ot ein.
Zur Begrüßung Sirih Pinang. Und ein längeres, unsystematisches Gespräch. Wir beschnuppern uns gegenseitig.
Schließlich die Zusage. Napoleon Fa`ot wird uns unterstützen. Aber erst nach dem 20. August. Nach Indonesia Merdeka. Alle Beamte in der indonesischen Verwaltung seien in die Vorbereitungen involviert.
Wir warten.
Usif Fa`ot ist ein kleiner, drahtiger Mann. Um die Sechzig. Schmale Statur. Muskulös. Das Haar schütter, den Westernhut lässig im den Nacken geschoben. Um die Hüften den obligatorischen Mau mit Amanuban-Motiv. Dazu ein weißes Hemd, am Kragen offen sowie ein mausgraues Jacket westlicher Provenienz. Als ich ihn das erste Mal sehe, kommt er im Galopp auf einem der kleinen Timorponies in den Sonaf geritten. Eine Junge läuft zu ihm hin, und nimmt sein Pferd am Zügel. Gemessenen Schritts kommt der Usif zu uns unter das ausladene Dach seines Lopo.
Der Kontakt zu Fa`ot ist schnell geknüpft, leicht und unproblematisch. Keine Sprachprobleme, da der Usif sich weigert mit mir Uab Meto zu sprechen. Das sei ihm zu lästig. Fertig.
Die Kato mnasi macht keine Anstalten keine Lust aus ihrem Ume kbubu herauszukommen. Später kommt sie doch dazu. Schweigend sitzt sie auf dem Rand des Lopo, der aus unregelmäßigen Steinblőcken aufgeschichtet ist.
Fa`ot belegt mich ganz mit hőflichem Ausfragen. Mit der Kato komme ich wieder nicht ins Gespräch. Der Usif stellt sich immer wieder zwischen meine Fragen und seine Frau. Beantwortet stellvertretend, ohne die Kato einzubeziehen.
Immer die gleiche Erfahrung. Männer dominieren in Amanuban. Nicht nur die Gespräche. Die Öffentlichkeit. Das Forum. Der Ort der Frau ist das Atrium. Wie im antiken Rom halten sich die Frauen in Amanuban bescheiden zurück.
Vielleicht der eine oder andere Kommentar in der Landessprache.
Napoleon Fa`ot ist ein einflußreicher Mann. Ein solcher lässt sich in Amanuban unmöglich übergehen. Sonst geht schnell gar nichts mehr.
Wieder heißt es warten. Die Geduld nicht verlieren. Die Hoffnung auf Antworten pflegen.
Als Frau war es für Heidrun leichter, informelle Kontakte zu knüpfen. Während Fa`ot mich ausfragte, mein Anliegen bewertete, war sie mit den Frauen des Sonaf ins Gespräch zutieft.
Kein schlechter Einstieg in den Sonaf von Tetaf.

Die Tracht der Atoin Meto: Die Fa`ot-Perspektive

Das offene Gespräch mit Napoleon Fa`ot, nur gelegentlich von der Kato mnasi unterbrochen, führte zu zahlreichen Informationen über die Technologie, Ikonographie und Funktion der Tracht der Atoin Meto.
Besonders Motivnamen.
Heidruns Gespräche mit den Bewohnern, den Bediensteten der Fa`ot, ergänzten das eine oder andere Detail.

Die Verwendung der für die Herstellung des Lotis charakteristischen Sia, die bestimmte Kettfäden aus dem Verband der Kette isolieren, bezeichnet man als loit sia.

Fa`ot und seine Frau zählen Motivnamen auf, die sie kennen. Motive, mit denen die Frauen des Sonaf ihre Gewebe verzieren.

Ein `Kai makiu besitzt zwei Haken, deren Enden ineinandergreifen.
Ein `Kai makiu variiert den weit verbreiteten `Kai bi`a suna so, dass dieser keine Ähnlichkeit mehr mit dem `Kai tola hat.
Es gibt mehrere Variationen des `Kai bi`a suna.
Den `Kai bi`a suna vom Typ des `Kai makiu.
Den `Kai bi`a suna vom Typ des `Kai man`euk – `Kai fetin.
Ein anderer Name für den `Kai bi`a suna lautet Nak bi`a suna.

Tekan ist eine andere Bezeichnung für den Bok fua, den schmalen Ikatmusterstreifen, der die farbigen Kettstreifen des Amanuban-Mau gliedert.

Das Ornat des Meo – des Krieger-Kopfjägers

Fa`ot widerspricht Nahaks Auffassung energisch, von dem ich hörte, dass früher für die Arm- und Fußbänder eines Meo Menschenhaut genommen wurde.
Diese Bänder seien schon immer aus flach geklopftem Silber hergestellt worden.
Buku, das Armband aus Silber.
Buk haif, das Fußband aus Silber, verziert mit Pferde- oder Ziegenhaar.
Pon tuf, Tierhaar oder Tierfell. Unidentifiziert.

Die Tragart der Tracht

Napoleon Fa`ot bestätigte mir die schon von Nope und Telnoni erhaltenen Informationen zur Tracht der Atoin Meto:

  • Die überlieferte Tracht besteht aus einem über beide Schultern getragenen Mau naek, dessen Enden frei über den Rücken hängen. Diese Weise den Mau, tragen nennt man kalaba.
    Sie ist allein dem Meo vorbehalten, den man auch daran erkennt, dass er seinen Mau so trägt.
    Der Oberkörper des Meo ist sonst unbekleidet. Er trägt den Mau naek auf seiner nackten Haut.
    Einen zweiten Mau naek trägt der Meo um die Hüften geschlungen. Er reicht ihm nur bis an die Knie. Die anderen Männer tragen ihren Mau naek so, dass dieser ihre halbe Wade bedeckt.
    In alter Zeit war es ein Privileg des Usif und des Adels ein Hemd – Fanu – zu tragen Hemd.
    Der nackte Oberkörper war für die einfache Bevölkerung ein Bestandteil der Tracht.
    Adel und Volk trugen auf der Hüfte zwei übereinanderliegende Mau naek. In ihrer Musterung unterschieden sich diese Hüftücher erheblich.
    Ikat war ein Privileg des Adels und dem Volk bei Strafe verboten.
    Mann und Frau des Volkes trugen Hüfttuch oder Sarung mit blauschwarz-weißer Streifenmusterung.
    Der Adel trug die Aluk, den Beutel für den persönlichen Bedarf des Mannes über der Schulter hängend. Das Volk trug die Aluk auf der Hüfte.
    Die Aluk des Adels war mit Buna`-Motiven, broschierten Mustereinträgen, verziert. Der Bevölkerung waren die schwarz-weiß gestreiften Aluk erlaubt.
  • Die Motive der Tracht waren für die einzelnen sozialen Schichten unterschiedlich. Die Kleidung des Usif und des Adels bestanden ausschließlich aus Ikat, dem Fut pua. Farbige Streifenanordnungen waren für diese Tracht undenkbar.
    Die charakterischen Motive des Adels waren der `Kai mnutu, der `Kai man`euk, die Fut-Kauna-Variationen des Besimnasi-Motivs, der Fut atoni und die Fut-Kolo-Variation Manu oder Teme.
    Der Piul muti ist ein weiteres Privileg des Usif.
    Fa`ot widerspach sich, ob die Amaf auch den Fut pua verwenden durften. Glaubt aber der `Kai naek und der `Kai fetin waren für sie reserviert.
    Die Tracht des Volks hieß Hoto. Ihnen waren Streifen in den Farben weiß, schwarz und rotbraun gestattet. Ikat durften sie nur als schmale Streifen verwenden, den Tua sufa und Pua kebi.
    Die Verwendung der anderen Ikatmotive ist exklusiv dem Adel oder, ausnahmsweise bedeutenden politischen Funktionsträgern, vorbehalten.
    Ein Verstoß war unter Strafe gestellt. Zehn Rupiah Silber und ein Wasserbüffel.
    Die Anordung und Farbkombination in den Seitenbahnen eines Mau ist nicht spezifisch festgelegt. Sie richtet sich nach ästhetischen Gesichtspunkten und der Größe des Gewebes.
  • Seit 1945 sind diese Vorschriften aufgehoben. Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Ankunft der Indonesischen Verwaltung verlor der Adel sein Futus-Privileg. Damit wurde gleichzeitig die differenzierende Funktion der Tracht aufgehoben. Schichtzugehörigkeit ist heute nicht mehr an die Tracht gebunden.
    Die Verzierungstechnik und die Ikonographie wurde freigegeben.
    Aus der Perspektive der einst vorgeschriebenen Ikonographie der Tracht betrachtet, ist in Amanuban heute jeder ein Usif.
    Die moderne Tracht in Amanuban ist die Tracht des Usifs der Vergangenheit.
    Die Tracht der Bevölkerung ist in den farbigen Seitenbahnen des Mau naek aufgegangen.
  • Ob es jemals eine ikonographische Differenzierung gegeben hat, die die einzelnen Namengruppen unterschied, weiß Fa`ot nicht.
  • Die territoriale Herkunft des Trägers der Tracht ist heute deutlich erkennbar. Ob der Täger aus Amanuban, Molo oder Amanatun, oder einem der anderer Territorien, stammt, ist unzweifelhaft an der Musterung der Männer- und Frauenkleidung erkennbar.
    Die Farben, Verzierungstechniken und Motive sind allerdings unterschiedlich variiert, obwohl sie sich auf ein gemeinsames Repertoire beziehen.

In der Vergangenzueit war die Tracht schichtspezifisch und territorial konszipiert.
Heute ist die Tracht territorial informativ.
Schichtzugehörigkeit dekodiert die Motive und deren Anordnung, die spezifische Art, die Tracht zu tragen sowie die unterschiedliche Kombination der Kleidung.
Territoriale Zugehörigkeit zu den Territorien Amanuban, Amanatun und Molo dekodiert ein unterschiedliches Textil-Design sowie die unterschiedliche Art, den Mau zu tragen.

Mafet Mamonet – Gewebe im Heiratsritual

Die offizielle Bezeichnung für die Heirat, die zwei Namengruppen zu einer ökonomischen und rituellen Einheit verbindet, lautet in Amanuban mafet mamonet, wörtlich eine Frau, einen Mann haben.
Umgangssprachlich spricht man von sah.
Wie bei allen Lebenszyklusritualen werden auch während der einzelnen Riten einer Hochzeit die unterschiedlichsten Textilien zwischen den Brautgebern und Brautnehmern ausgetauscht.
Die vorbereitenden Gespräche erfordern mehrere Transaktionen von Textilien, die die Frauengeber an die Frauennehmer in die Verhandlungen einbringen:

Ritus 1: mit einem Brief wird um die Hand der Braut angehalten

  • Ein Mau ana für die Eltern des Bräutigams.
  • Ein Pilu für die Eltern des Bräutigams.
  • Ein Ok tuke für die Eltern des Bräutigams.

Ritus 2: die erste Zusammenkunft der beteiligten Gruppen im Haus der Frauengeber (tamepan bunuk hau no` / tanais uab)

  • Ein Mau naek für den Vater des Bräutigams.
  • Ein Tais für die Mutter des Bräutigams.
  • Zwei Mau ana für den Vater und die Mutter des Bräutigams.
  • Zwei Pilu für den Vater und die Mutter des Bräutigams.
  • Vier Ok tuke.
  • Eine Aluk für den Bräutigam.
  • Ritus 3: die zweite Zusammenkunft der beteiligten Gruppen im Haus der Brautgeber (Oe maputu ma ai malala)

  • Acht, zehn oder zwölf Mau naek entsprechend des Vermögens der Brautnehmer.
  • Drei Tais.
    Ein Ok tuke für jedes männliche Mitglied der Brautnehmer.
  • Ein Mau naek für den Vater des Bräutigams.
  • Ein Tais für die Mutter des Bräutigams.
  • Eine Aluk für den Bräutigam.

Bevor eine Frau heiraten kann, verpflichtet sie die Adat, die Textilien, die für die Tauschtransaktionen des Heiratsrituals benötigt werden, selbst herzustellen. Erst wenn sie dies erledigt hat, ist sie heiratsfähig. Für diese Arbeit benötigt die potentielle Braut ein bis zwei Jahre.
Die Kosten für das Baumwollgarn der Gewebe übernehmen die Frauennehmer.
Für die Tochter muss die gleiche Anzahl an Geweben gegeben werden, wie sie der Vater der Braut für seine Frau aufbringen musste.
Die Bezeichnung für den Brautpreis lautet belis.
Verlangt die Familie des Bräutigams einen erheblich höheren Belis von den Frauengebern werden die Verbindungen zwischen der Braut und ihren Eltern nach der Heirat vollständig abgebrochen.
Der Kontaktabbruch betrifft auch die Kinder des Paars.
Unabhängig von der Höhe des Belis erhalten die Kinder den Namen der Namengruppe des Mannes.
Pflichten und Rechte an den Kindern bleiben auch bei den Frauennehmern.
Verschiedene Informanten waren sich uneinig darüber, wer die höchste finanzielle Last der Heirat und des abschließenden ike ma suti der Frauengeber trägt.
Es besteht anscheinend keine Einigkeit darüber, ob dies die Frauengeber sind, die die Gewebe in die Tauschtransaktionen einbringen, oder die Frauennehmer, die Vieh und Geräte geben.
Fa`ot behauptet, dass der ike ma suti der Frauengeber, verglichen mit den Aufwendungen der Frauennehmer, nur eine Kleinigkeit sei.
Dies klingt plausibel und deckt sich mit dem aktuellen Forschungsstand.

Der Kommentar

Der erste Eindruck von Napoleon Fa`ot ist überzeugend. Er tritt als ein kompetenter Informant auf. Behauptet, sich in den Besonderheiten der Tracht seiner Ethnie auszukennen.
Sein Alter und seine Zugehörigkeit zum Adel sprechen für ihn.
Seine Informationen weisen auf die Richtigkeit meiner These hin: Die differenzierenden Merkmale der Tracht beziehen sich auf Territorium und soziale Schicht.
Eine Beziehung der Motive zu einzelnen Namengruppen will Fa`ot nicht bestätigen.
Er glaubt nicht, dass bestimmte Ikatmotive jemals Besitz einer Kanaf gewesen sind.
Es gibt noch keine absolute Sicherheit. Ich bin nicht überzeugt, dass innerhalb des Atoin-Meto-Adels kein Differenzierungsbedarf bestanden hat.
Ließe sich dies verifizieren, stellen sich zwei Fragen.
Lässt sich die verwirrende Vielfalt der Motive auf ein oder einige Basismotive zurückführen? Auf einen Uf!
Werden Motive vererbt, patri- oder matrilinear weitergegeben? Übernimmt der verheiratete Mann die Motive, die seiner Frau oder bringt er seine eigenen Motive mit in die Ehe?

Napoleon Fa`ot verspricht mir heute die Erläuterung des Meo-Ornats, das die Namengruppe Fa`ot verwendet. Er habe die vollständige Kleidung auf dem Speicher. Er werde sie für mich herunterholen und mir zeigen.

Früher waren Fa`ot und Selan die Namengruppen, die für Nope die Krieger-Kopfjäger für die Bewachung des Westtors von Banam stellten.
Ist es möglich, auch das Meo-Ornat der Selan zu sehen?
Viele Fragen wären dann beantwortet. Aus einem Einzelfall ließe sich Grundsätzliches ableiten.

Anmerkung

Feldforschungstagebuch Amanuban: 11. August 1991

Datum 11.08.1991 / 08:00 – 13:00 Uhr
Ort Fa`ot-Sonaf; Tetaf; Westamanuban
Teilnehmer Napoleon Fa`ot; Jakobine Fa`ot Hitarihun; HWJ; HJ
Daten Kontaktaufnahme; Atoin-Meto-Tracht; offenes Interview; Fotografie

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