Blatt Neunzehn: Kupang

2. Januar 1991

Heute steckt der Teufel im Detail. Trotz meiner Anstrengungen unseren Umzug nach So`e und Abschied aus Kupang zu organisieren, gelingt nichts wirklich gut. Ich erreiche weder Leo noch Hendrik Billik im Kantor Pertanian (Telp. 126) in So`e. So kann ich Leo nicht berichten, dass wir ein Haus gemietet haben, H. Billik nicht davon, dass wir schon am Samstag oder Sonntag einziehe wollen.
Mittags gebe ich auf. Ich sehe ein, dass ich heute nichts mehr erreiche.
Überall hieß es wieder einmal besok. Wieder ist ein ergebnisloser Tag verstrichen, und ich bin nicht weitergekommen.
Trotz der vielen Erfahrungen, kann ich noch immer nicht damit abfinden, lange Wartezeiten, unzuverlässigen Auskünfte, leere Versprechungen, und daran, das in Indonesien alles langsamer, langwieriger und umständlicher abgewickelt wird.
Trotzdem kommen die Dinge in Ordnung.
Doch eben anders.
Letztlich habe ich immer erreicht, was ich wollte.
Wie viel verlorene Zeit muss ich inzwischen hinnehmen. Zeit, die ich mit unproduktivem Warten, der Organisation unserer Anwesenheit, mit ergebnislosen Besuchen, Telefonaten und Gesprächen verbracht habe. Die Tage, an denen ich Mittags zwischen 12.00 und
14.00 Uhr aufgab, ergebnislos zurück nach Hause kam, sind für meine Forschung verlorene Tage, da der Tag dann
In den Tropen ist der Tag dann drei bis vier Stunden später zu Ende.
Größere Aktivitäten nach 14.00 Uhr zu beginnen, ist der kurzen tropischen Tage wegen weder möglich noch sinnvoll.

Wir leben nun seit fast einem Monat in Kupang, kleben hier fest.
Über zwei Wochen dauerten die offiziellen Genehmigungen. Die Beamten im hiesigen Kantor Imigrasi überboten sich an Langsamkeit und in der Kunst der Verschleppung.
Zwischen Weihnachten und Neujahr, mit den vielen Feierlichkeiten, ging alles nur mit reduzierter Energie und festlicher Geschwindigkeit vorwärts.
Die Regentage. Zeit für das Tagebuch. Forschungsvorbereitungen. Gespräche über die irgendwann beginnende Arbeit.
Tage in Kupang:
Morgens um 7.00 Uhr Frühstück.
Zwischen 8.00 und 9.00 Uhr sitze ich in irgendeinem Kantor.
Dann warte ich einige Stunden oder werde gleich nach Hause geschickt, mit der Aufforderung, morgen oder an einem der nächsten Tage wieder zu kommen.
Schnell in das nächste Bemo in einen anderen Kantor, zu einer anderen Verabredung.
Kantor Telepon, zur Kantor Pos oder Bank Dagang Negara.
Mittags um 14.00 Uhr schließen alle Behörden.
Ich fahre nach Hause, dusche, ziehe mich um und habe den größten Teil des Tages geschafft.
Ich esse etwas.
Es ist 15.00 Ur.
In drei Stunden ist es dunkel.

Seit einer Woche versuche ich in So`e telefonisch zuzusagen. Mich mit dem Vermieter abzusprechen.
Immer wieder heißt es: Sudah keluar. Dann tidak masuk hari ini oder masih sakit.
Gleichgültig zu welcher Tageszeit ich anrufe. Immer das gleiche Ergebnis. Nichts!
Alles dauert, dauert, dauert, dauert und dauert, geht quälend langsam, um was es sich auch handelt, worum es geht. Nichts erledigt sich sofort oder im Rahmen bestimmter Termine.
Ich fühle mich erschöpft und frustriert. Fühle mich gehindert, kann mit meiner Arbeit nicht beginnen.
Ich sitze nervös in Kupang, komme nur im Schneckentempo vorwärts.
Der erste Monat unserer Aufenthaltsgenehmigung ist verstrichen.
Meine Forschung hat nicht einmal begonnen.

3. Januar 1991

Das Telefonat mit H. Billik. Die Verbindung ist schlechter als die nach Deutschland. Eine Stunde dauerte es, bis die 100 Kilometer überwunden waren.
Mikhael erklärt es mir später.
Die Gespräche nach So`e werden folgendermaßen vermittelt:
Vom Kantor Telepon aus in eine Telefonzentrale in Kupang.
Von dort geht die Anfrage in eine Zentrale nach So`e.
Erreicht man so den anderen Gesprächteilnehmer, teilt So`e das Kupang mit.
Kupang gibt die Verbindung ans Kantor Telepon weiter.
Erst jetzt wird die Leitung nach So`e freigeschaltet.
Nach Deutschland kann durchwählen kann. Auch die Verständigung von Kupang nach So`e ist schlecht. Jeder Satz hallt nach, die Antwort verstehe ich erst, nachdem die ersten Worte bereits gesprochen sind.
Und auch nur ganz leise.
Trotzdem habe ich Pak Billik und das Wesentliche verstanden. Wir vereinbarten den Einzug für den kommenden Montag.
Unsere Adresse: Jl. A. Yani 75, Keluruhan Oebesa, So`e, T.T.S.

Nachmittags bespreche ich mit Mikhael die Einzelheiten.
Mikhael will unbedingt mitkommen. Ihm wäre das Wochenende lieber gewesen, kann aber auch den Montag freinehmen. Urusan keluarga, sagt er, sei ein ausreichender Grund kurzfristig beurlaubt zu werden.
Sein Chef sei auf einer Konferenz zur Vorbereitung der indonesischen Parlamentswahlen 1992 in Denpasar.
Mikhael äußert interessante Gedanken über den Zweck meiner Anwesenheit in Westtimor.
Als Indonesier fühlt er sich mit meinen Plänen konfrontiert. Er bezieht einen Standpunkt, der meine Absicht auf den Punkt bringt.
Mikhael erzählt mir, dass Resultat meiner Forschungen mehr als mein Dr. phil. sein müssen.
Es sei meine Pflicht, in Deutschland die Ergebnisse meiner Forschung bekannt zu machen. Mehr Deutsche müssten die Kultur Timors kennen und verstehen lernen.
Ich sage, dass sei auch meine Absicht. Darum lerne ich Uab Meto, um die Sprache dann in Deutschland zu unterrichten.
Ich werde auch an der Universität unterrichten und die Kulturen N.T.T.s vorstellen.
Davon zeigt er sich hocherfreut.
Diese Aussicht bestärkt ihn darin, mich zu unterstützen, was er reichlich tut.
Mikhael ist Jurist und Beamter bei Sos Pol.
Seratus persen orang Indonesia.
Ihm ist es nicht gleichgültig, wie andere über seine Heimat denken. Er ist Akademiker und gebildet. Mit einem Auge schaut er immer nach Europa.
Es ist nicht seine Aufgabe, mich zu unterstützen. Er tut dies ehrenamtlich. Fühlt sich mehr dazu verpflichtet als UNDANA.
Mein Sponsor heißt Dr. August Benu und Kantor Pusat Penelitian.
Mikhael hat sich zum Stellvertreter erklärt.
Eine Ehrenrettung.

4. Januar 1991

Ein regnerischer, ereignisloser Tag im Hotel. Nachmittags Einkäufe für unseren Haushalt.
Unser Camping auf dem Hotelflur geht zu Ende. Wochenlanges Improvisieren, unzureichend und mit den einfachsten Mitteln.
Unser Improvisationstalent nehmen wie mit in unserer neuen Heim in So`e.

Hier in Kupang regnet es immer mehr. Mittlerweile mehrmals täglich. Der Regen setzt unberechenbar ein, plötzlich und äußerst heftig. Mal nieselt es nur, dann gibt es Tage, an denen regenschwere Wolken über den Himmel ziehen und die Sonne bedecken.
Zwischen den Häusern hängen Feuchtigkeit und Nässe schwer in der Luft.
In der Stadt wird es immer drückender und heißer.
Am Strand weht ein unangenehm kalter Wind. In der Stadt sind wir in Schweiß gebadet, am Meer frieren wir inzwischen am Meer, auf unserer Hotelveranda sitzen wir im Durchzug.
Die Arbeit auf der Veranda wird immer schwieriger. Schon Mittags setzt der sehr heftig wehende Wind ein. Von Tag zu Tag weht er kälter.
Kassandra schläft wenn der Winde weht.
Um arbeiten zu können sitze ich bei schlechtem Licht im Hotelzimmer auf dem Boden und schreibe in mein Tagebuch.y/p>

Heute haben wir endlich geschafft ins Museum zu gehen. Die Renovierung sei abgeschlossen, heißt es. Bevor ich Kupang verlasse, will ich unbedingt die Ausstellung der Ethnographica aus N.T.T. sehen.
Unbedingt die regionale Tracht, die dort alle Regionen Westtimors repräsentieren soll.
Wieder gibt es unvorhersehbare Probleme. Der Hauptsaal des Museums ist bereits wieder geschlossen.
Wir sehen nur die Ausstellung über die Lontar-Ökonomie der Region gewidmet waren
Meine Frage, wann die anderen Räume geöffnet, bliebt unbeatwortet.
Nur: Habis bulan ini.

Die Lontar-Ökonomie wurde sehr einfach vorgestellt. Die Ausstellungskonzeption nutzte nicht all die Möglichkeiten, die räumlich gegeben waren.
Möglichkeiten, diese interessante und charakteristische, vegetablische Ökonomie zu erläutern.
Entlang der Wände waren Podeste aufgestellt, auf denen die Ergebnisse der Flechtarbeiten aus Teilen der Lontarpalme aufgereiht waren.
Ein Podest folgte dem nächsten, eine Flechtarbeit einer anderen. Jede auf ihrem eigenen Podest.
Einsam und verloren.
Die meist zweisprachigen Informationen (indonesisch-englisch) nannten den einheimischen Namen, die Funktion und den Herkunftsort.
Der Herstellungstechnik und dem kulturellen Kontext der Gerätschaften war kein Raum eingeräumt.
Nichts informierte über den Gebrauch oder den Sitz der Geräts in Alltag oder Ritual.
Mehr als Staunen über die Kunstfertigkeit der Produzenten, die regionale Vielfalt der Formen und die mannigfaltige Verwendung des Rohstoffs Lontarpalme blieb uns nicht.
Vom Baumaterial für Häuser, über Haushaltsgeräte wie Körbe, Teller, Löffel, Aufbewahrungsbehälter für die Nahrung, Kleidung, Hüte und Sandalen, Spielzeug, Musikinstrumente (die Sasando-Laute) bis zu Nahrung wie Palmmark, Palmsaft (nira) Tuak und hochprozentigem Arak.
Über die wirtschaftliche Vielseitigkeit der Lontarpalme und ihrer kulturellen Bedeutung für diese Region informiert das Museum N.T.T. unzureichend.
Der jahrtausendealten Bedeutung dieser Nutzpflanze im Leben der Bewohner Ostindonesiens wird viel zu wenig gezeigt.
Hier sollte doch der beste Ort für eine solche Dokumentation und Präsentation sein.
Nur die Exponate zu zeigen ist zu wenig.
Fehlt den Wissenschaftlern am Museum die kritische Distanz zu ihren eignen kulturellen Leistungen.
Die Konservierung der Objekte und eine Ausstellung, die lediglich Einzelstücke präsentiert, nutzt weder dem in- und ausländischen Besucher, schon gar nicht der Erhaltung der kulturellen Eigenart der Region.
Unbedingt notwendig erscheinen mir drei Verbesserungen:

  • die lückenlose Darstellung aller Bestandteile der Lontarpalme und die Dokumentation der einzelnen Herstellungstechniken sowie die Darstellung der Funktion der ausgestellten Geräte im Rahmen ihrer alltäglichen Verwendung;
  • die Einbindung von Herstellungstechnik, Funktion und Symbolik der aus der Lontarpalme gearbeiteten Geräte in ihren kulturellen Kontext in den einzelnen Regionen;
  • die Gleichsetzung der doch unterschiedlichen Kulturen Timors, Rotes, Sabus, Flores und Sumbas muss aufgegeben werden, damit die kulturellen Eigenarten zum Ausdruck kommen und Mittel des Kulturvergleichs werden.

Es war schwierig, mit Leo, der Mittags vorbeikam, über diese Veränderungen der Ausstellung zu sprechen.
Leider auch ohne Erfolg. Leo hörte meinen Ausführungen kommentarlos. Hielt mich wahrscheinlich für arrogant und überheblich. Dachte bei sich: Weiße Experten nicht gefragt!

Seit zwei Tagen versuche ich vergeblich Leo telefonisch zu erreichen.
Heute morgen verpasse ich ihn im Museum, treffe ihn aber bei meiner Rückkehr im Hotel an.
Er ist erleichtert, dass wir inzwischen ein Haus in So`e gemietet haben.
Er sei die letzten drei Tage krank gewesen. Der Wind.
Er habe sich nicht weiter um das Haus, das er vermitteln wollte, kümmern können.
Leo scheint ein schlechtes Gewissen zu quälen. Hat er zu viel versprochen?
Ich ärgere wegen der Schwierigkeiten, die ich Mikhael wegen Leos Zusage gemacht habe.
Trotzdem. Wir sitzen stundenlang zusammen und diskutieren kulturelle Details. Eine wirklich gute Atmosphäre, wie zwischen uns bei unserer letzten Begegnung. gelingt uns heute nicht.
Ich hoffe, dass dieser unwichtige Vorfall unsere Beziehung nicht belastet. Ich lade ihn ein, uns bei Gelegenheit in So`e zu besuchen.
Er verspricht, er werde unsere Tamu yang pertama. Ich denke dabei, er wird sich beeilen müssen, denn Mikhael hat sich ebenfalls
schon angekündigt hat.
Als er aufbricht, legt er mir noch einmal nahe, unbedingt den Bupati T.T.S., Bapak Tallo, aufzusuchen.
Ich solle ihm telegrafieren, wenn ich irgendwelche Schwierigkeiten bekomme.
Dankbar verabschiede ich mich von Leo, den ich hoffe, bald wiederzusehen.

5. Januar 1991

Ein weiterer, regnerischer und ungemütlicher Tag in Kupang. Wir können die Veranda nicht mehr benutzen. Ein kalter Wind weht den heftigen Regen quer durch den Raum.
Morgens spricht nicht dafür, dass heute Wichtiges passiert.
Wie kann man sich doch irren.

Am frühen Nachmittag geht Heidrun noch einmal zum Markt, um einzukaufen.
Sie will diesen Markt noch fotografieren, besonders die Händler, die sie inzwischen gut kennt.
Der kleine Markt endet direkt auf dem Strand, wo die Fische fangfrisch vom Kutter auf dem Marktstand landen. Sie wird
Auf der Straße spricht sie ein Mann an, der eine viertel Stunde später bei mir im Hotel auftaucht.
Marselinus Besa hießt der Mann Er wohnt Jl. Kakatua Kaplin A, Nunumeu, So`e und ist an der dortigen SMA Kristen I So`e-Nunumeu als Englischlehrer beschäftigt.
Ein Atoin Meto aus Molo, der schon sehr lange in So`e lebt.
Er bietet an, mich in Uab Meto zu unterrichten.
Ein weiterer Glücksfall, Heidruns Geistesgegenwart und Resultat des Omens aus der Sylvesternacht.
Noch bevor wir in So`e angekommen sind, ist mein Sprachunterricht gesichert.
Nächste Woche Donnerstag beginne ich.
Fünf Tage jede Woche eine Stunde Unterricht zwischen 18-19.00 Uhr.
Wir ein Haus in So`e.
Ich habe einen Lehrer fürs Uab Meto.
Alles ist für die nächsten drei Monate, bis zum Abschluss der Ernte geregelt.
Die Kontaktadresse, die ich mit nach So`e bringe, sind mein drittes Pfand.
Mich erfüllt ein wunderbares Gefühl. Die Arbeit der nächsten Wochen ist gesichert.
Am Donnerstag beginnt meine Forschung.

Gleich entwickelt Marselinus seine Vorstellungen für meinen Unterricht.
Sein Konzept klingt vernünftig und effektiv.
Ich merke, er hat Erfahrung im Sprachunterricht. Der richtige Lehrer für mich.
Zuerst ich zählen lernen.
Dann die Namen der Körperteile.
Anschließend die von Haus, Hauseinrichtung und der Tätigkeiten im Haus.
Dann die Bezeichnungen für die Dinge in der Umgebung.
Kleine Gespräche führen lernen.
Zuerst lerne ich die Wörter, dann folgen kleine Sätzen, die die Wörter zu sinnvollen Aussagen verbinden.
Später besuchen wir auf Märkte in Molo und Amanuban. Dort lerne ich dann das freie Sprechen.
Er lege großen Wert auf Sprachpraxis. Nur so stelle sich ein schneller Lernerfolg ein. Es gebe es kein Lehrmaterial.
Bahasa Atoni, wie er sie nennt, sei eine gesprochene Sprache, die nur mündlich tradiert werde.
Keine Schriftsprache.
In drei Monaten bin ich gut genug. Bahasa Atoni sei tidak sukar. Verspricht er mir.

Marcelinus besitzt Ortskenntnis. Er kenne So`e und Umgebung, verfüge auch über Beziehungen nach Molo.
Elegant demonstriert er seine Kenntnisse.
Der Name Molo, so Marselinus, bedeute merah dan putih bercampur. Der Name bezieht sich auf die Tracht Molos, die weiße und rote Farben bevorzugt.
Die Musterung der Textilien ist ein Wechsel roter und weißer Mustersegmente.
Im Gegensatz dazu die Tracht Amanubans, die bukan Molo sei, da sie blaue und schwarze Farben kombiniere. Der Name Amanuban setzt sich nach Marselinus aus ama, Vater und nuban zusammen. Nuban komme von nua, zwei, und bedeute zwei Personen.
Amanuban demnach zwei Väter.
Marselinus erkäärt mir auch die Bedeutung des Eigennamen So`e. Er weiß auch die Entstehungsgeschichte dieses Namens zu erklären.
Bei So`e handelt es sich auch um ein Komposit von zwei Wörtern.
So bedeute etwas gerade schöpfen; oe, Wasser.
Soë bedeute also Wasser schöpfen.
Als die Niederländer nach So`e kamen, waren einige Bauern gerade damit beschäftigt, Wasser auf ihre Felder zu schöpfen, um die Pflanzungen zu bewässern. Die Niederländer fragten nach dem Namen des Ortes, wurden aber missverstanden. Die Bauern, die dachten, nach ihrer Tätigkeit gefragt worden zu sein, beantworteten die Frage mit soë, Wasser schöpfen.

So`e besteht heute aus drei Keluruhan: So`e, Oebesa und Taubneno.

Abends kommt Mikhael noch einmal vorbei um die Planung für Montag konkret zu besprechen.
Wir kommen ins Plaudern und es entwickelt sich ein interessantes Gespräch. Eine Parallele zu der Erzählung von Ibu Mas aus Kemenuh.
Über jene Mahkluk halus, die die Imagination der Indonesier so sehr beschäftigen.
Ganz unvermittelt fragt Mikhael: Herbert percaya pada setan?.
Da ich setan aufgrund seines Dialekts zuerst nicht verstehe, frage ich nach und Mikhael bersetzt ins Englische: Black magic.
Ich frage, ob er Ilmu sihir oder Ilmu gaib meine und er bejaht.
Plötzlich begreife ich. Setan, devil, der Teufel. Mikhael bejaht auch diese Bedeutung.
Mikhael erzählt mir zwei Geschichten. Die erste, die ihn sehr beunruhigt, ereignete sich vor drei Tagen.
Die zweite hat ihm vor einiger Zeit Egidius Didoek, ein Kollege bei Sos Pol, erzählt.

Mikhaels Erlebnis

Vor drei Tagen wurde ich Nachts plötzlich wach und hörte meinen Nachbarn um Hilfe rufen. Ich ging hinüber in sein Haus und erfuhr, dass ihn ein Mahkluk halu überfallen habe, der nun in seinem Körper wohne und ihm den Hals zuschnüre. Nach kurzer Zeit beruhigte sich mein Nachbar wieder und ich ging nach Hause.

Der ungewöhnlich große Hund

In Belu erzählen sich die Leute von einem anjing luar biasa besar, der in den Wäldern haust und Passanten, die diesem Hund begegnen und ihn stören, nach ein paar Tagen sterben. Passanten, von denen sich dieser Hund nicht gestört fühl, bleiben dagegen unbeschadet. Dieser Hund sei ein Mahkluk halus.
Egidius hatte nun vor einiger Zeit, als er mit dem Motorrad durch den Wald nach Hause fuhr, eine Begegnung mit diesem Hund, der ihn verfolgte, dem er aber mit seinem Motorrad entkommen konnte.

Warum mir Mikhaels diese beiden Anekdoten über den in Westtimor weit verbreiteten Glauben an die Existenz einer Ilmu gaib erzählte:
In So`e bekräftigte er seine beiden Erzählungen: ada banyak.

Ibu Mas und Mikhael sind, obwohl Christen, verunsichert. Mikhaels christlicher und zusätzlich akademisch geschulter Verstand raten ihn, an diesem Phänomenen zu zweifeln. Die unmittelbaren Erfahrungen seiner indigenen Lebenswelt, bestätigen ständig die Existenz dieser Wesen.
Konfrontieren ihn mit Erfahrungen und überliefertem Wissen, das er versucht abzulehnen.
Mikhael verfügt über eine Erklärung. Die ist westlich rationaler Logik verpflichtet.
Glauben zwei Menschen an die Existenz von Magie und Geistern, dann ist diese für beide erfahrbare Wirklichkeit.
Glaubt aber nur einer der beiden an diese Phänomene, dann entfalten sie keine Wirksamkeit.
Übernatürliche Phänomene sind für Mikhael, ein westlich geprägter, indonesischer Intellektueller, Ergebnis individueller Erfahrung, die nur in einem konventionellen und konsensualisiertem Rahmen Realität besitzen.

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