Eno Kiu, 5. Oktober 1991

Lais Mafet Mamonet

Vorbemerkung

Als ich heute, wie gestern verabredet, um 12.00 Uhr bei A. Sakan eintreffe, sagt mir Markus Nesimnasi, er sei gerade zu seinem Bruder Markus aufgebrochen. Im Haus seines Bruders ist man seit ein paar Tagen mit der ersten Phase des Heiratsrituals, der Brautwerbung, beschäftigt (toit bi sopo. In den vergangenen Tagen war ich mit der Arbeit an der Sakan-Genealogie beschäftigt, sodass ich es versäumt habe, mich über die Vorgänge im Hause seines Bruder zu informieren.
Ich fahre zu Markus Sakan, treffe Abraham dort aber nicht. Er sei mit seinem jüngsten Sohn, Sef, unterwegs, komme aber bald.
Es dauerte, bis Abraham schließlich mit zwei jungen Männern eintrifft, die ich beide nicht kenne. Einer der Männer, festlich elegant gekleidet: kurz geschnittenes, glänzend mit Kokosöl gefettetes Haar, ein gebügeltes, braunschwarzes, längsgestreiftes Hemd, zwei neue, schön gearbeitete Mau, der obere mit `Kai-Mnutu-Motiven sowie Plastiksandalen der besseren Sorte. Der zweite der jungen Männer in Abrahams Begleitung trägt Alltagskleidung. In einem perlenbestickten Ok tuke reicht der Herausgeputzte, respektvoll kniend, allen Anwesenden Betel. Fünf Minuten später meint Abraham unvermittelt zu mir: Wir können jetzt gehen! Die Angelegenheiten seien nun beendet.
Irritiert fahre ich mit ihm nach Mnela Bubun zurück.

Brautwerbung bei Markus Sakan

Ich frage Abraham Sakan, wer denn der herausgeputzte junge Mann gewesen sei, den er heute mit zu seinem Bruder gebracht habe. Folgendes erzählt er mir:

Vor einer Woche sei ein junger Mann, Mesek Taek aus Falas in Ostamanuban, zu ihm nach Hause gekommen und habe ihn gefragt, ob es in seinem RK eine heiratsfähige Frau gäbe. Er habe das bejaht und ihm seine Nichte, Anderiana Sakan, vorgeschlagen, eine der Töchter seines Bruders Markus.
Mir erschien dies seltsam und ich frage nach, ob sich die beiden denn schon früher getroffen hätten. Abraham verneint, und meint, dass sie sich weder vom Markt noch aus der Kirche oder irgendwelchen Festen kennen würden. Ich frage mehrmals, um ganz sicher zu gehen, dass kein Mißverständnis vorliegt, aber Abraham bleibt bei seiner Erklärung.
Aber ich glaube ihm nicht, und sehe mich bestätigt, als ich später erfahre, dass es von Niki Niki bis ins Dase Falas nicht sehr weit ist. Es ist sicher, dass Mesak Taek häufig in Niki Niki ist, ohne dazu die, in der Trockenzeit ohnehin große räumliche Mobiltät der Atoin-Meto-Männer allzu sehr zu strapazieren.
Ich frage Abraham auch, warum der junge Mann denn ausgerechntet in seinem RK eine Braut suche. Er weiß es nicht, lautet seine Antwort. Er habe ihn nicht aufgesucht und er wisse auch nicht, wieso er ausgerechnet zu ihm komme. In seiner Funktion als Kepala RK sei er jedoch die zuständige Stelle, und nun vermittele er zwischen dem Werber und seinem Markus. Ich frage ihn auch, ob seine Erklärung die offizielle Seite der Brautwerbung betreffe, und ob sich die beiden in Wirklichkeit nicht bereits kennengelernt hätten. Er verneint, da dies vor einer offiziellen Werbung nicht sein dürfe.

Im Haushalt von Markus Sakan findet die erste Phase des Heiratsrituals, die Brautwerbung (toit bi sopo), statt. Abraham sagt: Fe toit bi fe!, eintreten, und um die Braut bitten. A. McWilliam nennt für Südmanuban die Wendung Natam atoti bi sopo! in der gleichen Bedeutung an.

In Amanuban sind heute zwei, etwas unterschiedliche Versionen üblich, diese Werbung vorzutragen:

  • persönlich;
  • schriftlich.

In beiden Fällen trägt der Kandidat sein Anliegen nicht persönlich vor, sondern bedient sich eines Vermittlers. Dieser überbringt, wie heute Abraham, die Werbung mündlich oder überreicht den Eltern der avisierten Braut einen Brief mit der Werbung. Generell begleiten die Werbung kleinere Geschenke, die auf Tabletts arrangiert übergeben werden. Diese Geschenke, wie mir Abrahams Frau Johana sagt, sind Gaben für die Braut und für die Brauteltern.
Mesak Taek überreicht traditionelle Gewebe, einen Mau, einen Mau Ana und ein Taschentuch, Stoffbahnen, Seife, Make-up sowie Toilettenartikel für seine Auserwählte. Die Brauteltern gehen leer aus, was Johana erbost. Sie spricht von einer Verletzung der Reziprozität des Gabenaustauschs.

Nachdem die Werbung ausgesprochen und die Geschenke überreicht wurden, heißt es Markus Sakans Haus, seine Tochter wolle nicht heiraten.
Den Abend über und die halbe Nacht des 4. Oktober saßen die engsten Verwandten von Markus in seinem Haus zusammen um die schwebende Angelegenheit zu diskutieren. Wie ich heute erfahre, fiel die Beratung zugunsten des Bewerbers aus: Anderiana soll ihn nun doch heiraten. Gleich heute morgen hat Abraham die Nachricht nach Falas geschickt, und den Bräutigam über das Ergebnis der Besprechung informiert. Als dieser Mittags in Mnela Bubun ankommt, begleite ich beide zum Haus von Markus Sakan. Dort soll der Bewerber offiziell eingeführt werden, und Anderiana und ihren Eltern vorgestellt werden. Abraham vermittelt auch dieses Mal zwischen beiden Parteien. Er übermittelt die Bitte des Werbers an die Eltern von Anderiana, teilt diesem auch deren Antwort mit.

Da die zukünftige Braut sowie ihre Eltern dem Besuch von Mesek Taek zugestimmt haben, findet heute das erste formelle Treffen zwischen beiden Gruppen, Sakan und Taek, statt. Ausgehandelt werden nun die Daten für die einzelnen Phasen des Heiratsrituals, der Termin für den bunuk hau no`, der die zukünftige Braut vor den Werbungen anderer Kandidaten schützen soll.

Kommentar

Abraham, wie es seine Art ist, hat mir gestern mehr versprochen, als er halten konnte, ohne seine Verwandten zu brüskieren. Vielleicht hat er nicht damit gerechnet, dass die Werbung erfolgreich verläuft, jedenfalls befindet er sich wieder einmal zwischen zwei Stühlen. Es fällt ihm schwer, mir abzusagen, und so versucht er einen Kompromiss zwischen den Linien zu finden. „Was versprochen wurde, muss beendet werden!“ (sudah dijanji habis), sagt er immer wieder, und ich sehe, wie schwer es ihm fällt.
Als ich ihn bei Markus treffe, und ihn fragte, ob seine Angelegenheit beendet sei, hat er mich belogen. Seine Verpflichtung als Vermittler war nicht beendet, sie hatte noch nicht einmal begonnen. so entschloss er sich, mit mir an seiner Genealogie weiterzuarbeiten, unterbrach kurzerhand Fortführung der Werbung und ließ die Teilnehmer warten. Ich versuchte ihn einzulenken, da ich es unerträglich fand, dass Markus und seine Gäste meinetwegen warten mussten, aber Abraham blieb stur. Er fühle sich unwohl, sein Versprechen nicht einzuhalten, meine Zeit zu verschwenden, und er unaufmerksam sei. Mein Einwand, dass er gestern noch nicht wissen konnte, dass heute ein formelles Treffen stattfinde, das seine Anwesenheit erforderlich mach, ließ er nur zögernd gelten. Immer wieder hob er an: janji habis oder tetap melayani. Aber er entspannte sich, als er merkte, dass ich ihn nicht von seiner Verpflichtung abhalten werde.

Diese Situation ist charakteristisch für Abrahams Beziehung zu mir. Sie kennzeichnet den Ernst, mit dem er immer wieder bereit ist, sich für mein Projekt einzusetzen. Schon Im Sonaf von Nope hat er darauf bestanden, dass er kein Mann ist, der leere Versprechen (omong kosong) macht. Heute geriet er mit seiner Aufrichtigkeit und seiner Sympathie für mich in einen schwierigen Konflikt, den er aber mit der ihm eigenen Raffinesse schließlich für alle gut lösen konnte. Er meint es eben ernst mit mir.
Sein tetap melayani verpflichtet ihn, sein Versprechen, ich könne mich immer an ihn wenden, wenn ich Fragen und Probleme habe. Mir ist es wichtig, dass Abraham mit mir zusammenarbeitet. Wenn ihm etwas dazwischen kommt, kann ich warten. Wonach ich suche hängt nicht von Tagen ab. Was habe ich davon, wenn ich dieser Situation und unter Druck Daten erhebe? Hätte ich das Gespräch nicht auf die Brautwerbung gebracht, dann hätte ich von Abrahams Konflikt nichts erfahren.
Wie auch immer, Abraham riskiert mit unserer Genealogiearbeit seine Verwandten zu verärgern, was ich nicht akzeptieren kann. Die Brautwerbung kann nicht auf den nächsten Tag verschoben werden, mein Interview schon.
Dennoch freue ich mich über die Sympathie und die Solidarität, die Abraham für mich empfindet. Er ist ein guter Freund geworden.

Nachtrag

Im Haus von Markus Sakan fand am 5. Oktober die erste Phase des Heiratsrituals (lais mafet mamonet) statt, die Abraham Sakan gestern als toit bife bezeichnete. als ihn erneut frage, erklärt er mir, dass toit befe alltagsprachlich und nicht sehr respektvoll sei. Höflicher sei es, vom tam he toit bi sopo zu sagen

Am 6. Oktober bekomme ich von Abraham Sakan die ergänzende Informationen auf meine Fragen:

  • Wie muss hau no` übersetzt werden?
    Baumblatt sei die richtige Übersetzung.
  • Bedeutet bunuk hau no` nicht Kokosnussfluch, wie A. McWilliam (1989:192)?
    Mit Kokosnuss habe das nichts zu tun, da jedes Baumblatt verwendet werden könne.
  • Was bedeutet bunuk hau no`?
    Ein bunuk hau no` ist ein Verbotszeichen. Sind sich Brautgeber und Brautnehmer einig, ein Heiratsritual durchzuführen, wird im Verlauf eines Rituals und der getroffenen Vereinbarungen wegen dieses Zeichen symbolisch aufgehängt (naponi bunuk hau no`. So wird der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass das zukünftige Ehepaar einander versprochen wurde. Anderen Bewerbern wird so anzuzeigt, dass keine weitere Werbung unzulässig ist. Eigentlich dient dieses Zeichen dazu, Privatbesitz zu markieren (besonders Fruchtbäume) im unberechtigten Zugriff auf den Ertrag abzuwehren (zu bunuk vgl. Middelkoop, 1960:46-65).
    Geschützt durch diesem Fluch seien nicht nur die Brautleute, sondern auch der Hausfrieden. Die Vereinbarungen für die spätere Heirat seien abgesprochen, Termine vereinbart und ersten Tauschtransaktionen durchgeführt.
  • Gibt es noch andere Ausdrucksweisen, um den verhängten bunuk hau no` zu bezeichnen?
    Betreten Fremde den Hof, so würden idealerweise die Hunde anschlagen, die Schweine grunzen und so ein unauffälliges Betreten verhindern. Ist der bunuk hau no` allerdings aufgehängt, gehört der ehemals fremde und zukünftige Bewerber fast schon zur Familie. Man sagt dann: Kaisa fafinius kola, asu nakon, lass die Schweine nicht grunzen, die Hunde nicht bellen.
  • Welche Güter bringt die Brautnehmergruppe in die Tauschtransaktionen anlässlich eines toit bi sopo, hier in Bezug auf Anderiana Sakan, ein?
  • Für die Braut: 2 Lipa, 2 Kebaya, 2 Büstenhalter, 1 Paar Schuhe, 10.000 Rupiah Papiergeld, 1 Silbermünze (Wert 2 1/2 Rupiah), 1 Paar goldene Ohrringe,1 goldene Kette mit Anhänger, 2 Stück Seife, 1 Satz Make-up, 1 Spiegel, 1 Kamm sowie eine Dolde Arekanüsse und 5 Bündel Früchte des Betelstrauchs (ki mese ma puti nim).
  • Für die Eltern der Braut: 1 oko mama für den Vater (Inhalt: 2.500 Rupiah Papiergeld) sowie 2 Bündel Blätter des Betelstrauchs, 20 Arekanüsse, 1 Hemd;
  • 1 oko mama für die Mutter (Inhalt: 2.500 Rupiah Papiergeld), 2 Bündel Blätter des Betelstrauchs, Arekanüsse und 1 Lipa.
  • Für die Brüder der Braut: 1 oko mama (Inhalt: 7.500 Rupiah Papiergeld). Da die Braut Anderiana drei Brüder hat, Rp 2.500 für jeden Bruder.
  • Worin besteht die Kompensation der Brautgeber?
    1 Mau Naek, 1 Ok Tuke, 1 Piul Saluf (ein Gürtel mit Fransen) sowie ein 1 Taschentuch (lesu).

Anmerkung

Feldforschungstagebuch Amanuban: 5. Oktober 1991

Datum 05.10.1991 / 13:00 – 14:00 Uhr
Ort Mnela Bubun; Kelurahan Niki Niki; Zentralamanuban
Teilnehmer Abraham Sakan; HWJ
Daten Interview

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