Blatt Neun: Jakarta

18. November 1990

Heidrun und Kassandra begleiten mich zum Bus nach Denpasar. Ein kurzer Abschied, die übliche Hektik an den Terminals. Die Zeit vergeht schnell. Eben noch befürchtet, den Bus zu verpassen, jetzt noch reichlich Zeit. Kassandra lungert in der Agentur und in der benachbarten Bar herum. Sie realisiert nicht, dass ich gleich in den Bus einsteige und fort bin. Nicht nur die üblichen Stunden jeden Tag. Diesmal nicht etwas später zurückkomme. Traurigkeit. Dann ein kurzer Abschied. Der Busfahrer drängt. Ein Winken. Das letzte, was ich sehe ist Heidrun, die hinter Kassandra herläuft, die gerade wieder in der Bar verschwindet.

Zügig geht die Fahrt mit dem Kleinbus zum Flughafen Ngurah Rai. Ankunft: Viel zu früh. Keine wirkliche Abflughalle. Keine Sitzgelegenheiten. Die Atmosphäre eines deutschen Dorfbahnhofs. Keberangkatan Domestik. Nur der unvermeidliche Bahnbeamte mit der roten Mütze und der Kelle ist nirgendwo zu sehen. Langeweile. Eine lange Wartezeit. Dann werde ich endlich meinen Koffer los.

Ein kurzes Telefonat nach Deutschland. Ich rufe Heidruns Eltern und bringe sie kurz auf den neuesten Stand. Ein kurzer Wortaustausch, ein hastiger Bericht, die Zeit verstreicht. Die angemeldeten drei Minuten sind schnell verbraucht. Wie viele Worte passen in drei Minuten?
Immer zu wenig, immer zu viel. Die Perspektive macht den Unterschied.

Eine kalte Coca Cola am Flughafen. Eine aufgemotzte Außenbar mit windschiefen Barhockern. Ein Arbeiter verdient in Bali im Schnitt 5.000 Rupiah an einem Arbeitstag. Meine Coca Cola kostet einen halben Tageslohn. Weiteres Warten, das ich mit Glotzen zu bringe. Nichts Besonderes ereignet sich. War auch nicht wirklich zu erwarten.

Ein ereignisloser Flug. Wie Flüge eben so sind. Enge. jeder warter so bald wie möglich aussteigen zu können. Ein lustiger Nachbar. Schlafend hängt er mit halben Körper mir. Lässt sich trotz aller Bemühungen immer nur kurz abschütteln. Sinkt immer wieder auf meine Schulter herab und macht sich breit.
Die Maschine ist klein. Überlandbus-Atmosphäre über den Wolken. Von Freiheit keine Spur. Ich fühle mich beengt.

Anderthalb Stunden später. Ankunft Soekarno-Hatta, International Airport Jakarta. Die Differenz zwischen ost- und westindonesischer Zeit spendiert mir eine Stunde. -Es ist 21.00 Uhr Ortszeit als ich die alle Formalitäten hinter mich gebracht habe. Und wieder im Gedränge. Relativ hilflos stehe ich vor der Abfertigungshalle.
An den offiziellen Taxiständen herrscht furchtbares Gedränge. Jeder will mit, will weg und in die City. Orientierungslos, kurz entschlossen und unter Zeitdruck fahre ich mit dem erstbesten Wagen der sich bietet, ins 40 km entfernte Jakarta. Ein Privatwagen. Ein Schwarztaxi. Vater und Sohn betreiben es, verdienen so eine schnelle Mark ohne Abgabenlast. Die anfängliche Unruhe über meine Gutgläubigkeit verfliegt schnell. Eine nette Unterhaltung. Eine kurzweilige Fahrt durch die nächtlichen Vorstädte Jakartas. Die Fahrt ins Auge des Taifuns.

Jakarta! Später Abend. Die Stadt pulsiert. Geschäftig hasten Autos, Motorräder und Fußgänger vorbei. Die Straßen füllen, überfüllen sich je mehr wir uns dem Zentrum nähern. Etwas über eine Stunde mit dem Taxifahrt. Nicht schlecht. Tagsüber braucht es zwei oder drei Stunden. Und das wäre eine gute Zeit.

Jalan Jaksa, Bloemsteen Hostel. Mehr als fünf Jahre sind vergangen, seit ich zuletzt hier war. Ein eigenartiges Wiedersehen. Alles ist völlig verändert. Und sowas von verändert. Die kleine, einladende Familienpension von damals hat die Straßenseite gewechselt. Ist heruntregekommen zu einer der üblen Kammervermietungen, die es in dieser Straße so zahlreich sind. Anonym, eng, ungemütlich. Ich beziehe einen Verschlag.
Eine fasst unerträglich heiße, schlaflose Nacht in der stickigen und fensterlosen Kammer. Kein Netz. Ein El Dorado für Moskitos. Ich schlage Nägel in die Wand und hänge mein Moskitonetz auf. Windschief aufgehängt bewährt es sich erneut. Erspart mir die Malariaprophylaxe. Wirbelnde Gedanken, Hitze, Unruhe. Ich finde keinen Schlaf in dieser Nacht und bin bei Sonnenaufgang unausgeruht auf den Beinen.

19. November 1990

Ich ziehe um. Ins einige Meter entfernte Djody Hotel. Das verdient kaum seinen Namen. Gibt sich aber Mühe einen wohnliche Atmosphäre zu zaubern. Mein neues Zimmer wird der präsentierten Fassade nicht gerecht. Es ist noch enger, noch stickiger als das gerade verlassene im Bloemsteen Hostel. Nur ein anderes fensterloses Loch. Dafür teurer. Und das ist Jakarta. Keine Alternative. Mein Budget reicht nun mal nicht weiter.
Der großzügige Lounge mit Tischen, Stühlen und Polstermöbeln im Eingangsbereich des Djody versöhnt mich ein wenig. Ein Zugewinn. Ich habe wenigsten einen Platz wo ich arbeiten kann. Vorbereitungen. Die Tage sind ohnehin länger als die Nächte.

9.30 Uhr. Mein Anruf beim Deutschen Akademischen Austauschdienst,kurz DAAD. abgekürzt, wie alles was geht in Indonesien. Elfi Erdmann ist in Urlaub. Ihre Vertretung, ihre Sekretärin, Ibu Yanti, erwartet mich.
Mit einem Bajaj in die Jl. Prof. Moh. Yamin 59. Ein kurzes Gespräch informiert mich über den aktuellen Situation. Mein Forschungsprojekt ist wirklich genehmigt worden. Die erforderöichen Bestätigungen bekomme bei LIPI. Ibu Yanti fürgt hinzu, sie habe vergangenen Freitag erst mit Ibu Murtini bei LIPI über mich gesprochen. Alles sei in Ordnung. Sie selbst sei zwar heute nicht ihrem Büro, ihre Vertretung, Ibu Nani, wisse aber Bescheid. Ich solle mich sie wenden.
Hoch erfreut über die Auskunft, Visa und Forschungsgenehmigung in Kürze in Händen zu haben, voller Optimismus, bald zurück in Ubud zu sein. Mit dem Minibus 604 fahre ich in die Jl. Gatot Sibroto 10. Dort residiert LIPI in einem imposanten, auch ästhetisch beeindruckendem Gebäude. Moderne Architektur raffiniert gestaltet. Ein ovaler Turm, sechs Stockwerke hoch und vollständig weiß gekachelt, erhebt sich auf einer kleinen Anhöhe ungefähr fünf Meter über der Straße. Ein Elfenbeinturm der indonesischen Wissenschaftsbehörde.
Ich treffe Ibu Nani in einem gerade entstehendem, phantasielosen rechteckigen Neubau. Durch eine schmale Brücke ist diese Hässlichkeit mit dem Haupttrakt
verbunden. Schamvoll gebückt auf der Rückseite. Aber auch sechs Stockwerke hoch. Von außen betrachtet eine Baustelle, hinter einem Gerüst versteckt. In den ersten vier Stockwerken herrscht emsiges Treiben. Hier wird bereits gearbeitet, während die beiden oberen Etagen gerade hochgezogen werden. Betonästhetik.

Ibu Nani hat meine Akte schon griffbereit auf ihrem Schreibtisch liegen als ich eintrete. Sie überreicht mir eine blaßgrüne Stofmap mit einen Brief und mehreren Anlagen. Damit soll ich zum Kantor Imigrasi in die Jl. Cikini Raya. Der Brief informiert die Einwanderungsbehörde, dass LIPI mein Forschungsprojekt genehmigt hat. Gleichzeitig wurde darum gebeten, mir das für einen längeren Aufenthalt in Indonesien notwendige Visum Berdiam Sementara auszustellen. Via Singapore.
Ich glaube mich verhört zu haben. Ich höre via Singapore, ich lese ihn in dem mir vorgelegten Brief. Will es einfach nicht wahrhaben. Glaube falsch verstanden zu haben, was bei meinen immer noch bescheidenen Sprachkenntnissen durchaus möglich ist. Traute meinem Indonesisch nicht. Starre den verhängnisvollen Satz via Singapore an. Er steht tatsächlich da. Will verschwinden. Ich frage nach, einmal, zweimal, jedes Mal mit anderen Worten. Es liegt nicht an den Sprachkenntnissen. Die sind in Ordnung. Ich muss nach Singapore. Das Visum muss dort ausgestellt werden. Das gehe nur in einer auswärtigen Botschaft und Singapore sei die nächste.
Ich sagte nichts mehr, stellte keine weiteren Fragen Sprachlos und schockiert verlasse ich die für Peneliti asing zuständige Behörde bei LIPI. Im Flur schaue ich die mir übergebenen Papiere noch einmal gründlich und in Ruhe durch. Kein Zweifel bleibt. Ich finde nichts Anderes bestätigt als ich schon weiß. Melalui via Singapore flimmert es vor meinen Augen. Mir wird zunehmend heißer, übel. Schweißströme fließen meinen Rücken hinunter. Mein Hemd ist nass und klebt an meinem Rücken als ich von der Bank aufstehe und den LIPI-Neubau verlasse.
Ich benötige Zeit um mich zu beruhigen. Zu enttäuscht bin ich. Zu viele Umstände. Zeit und Kosten, die ich nur widerwillig hinnehme. Eine plötzlich veränderte Situation. Ein Mummenschanz, empfinde ich, den man da mit mir treibt. Ich komme mir vor wie der dumme August in einem schlechten amerikanischen Film. Fühle mich gleichzeitig hingehalten und hin und her gestoßen.

Zurück an der Bushaltestelle steige ich in den 604er und erneut zum DAAD. Zurück zu Ibu Yani um meinen Frust Luft loszuwerden. Es gelingt mir nur ungenügend meinen Ärger in der fremden Sprache richtig Luft zu verschaffen. Ibu Yanti lässt das alles an sich herabgleiten wie Öl auf Wasser. Sie
zeigt sich erstaunt, mich so schnell wieder zu sehen. Von Betroffenheit oder Mitgefühl keine Spur. Kühle Geschäftigkeit. Auf mich macht sie den Eindruck, ich konfrontiere sie mit Alltäglichem. Bemerkt sie meine Enttäuschung überhaupt? Ihre Botschaft vom Vormittag, alles sei in Ordnung, habe ich mir anders vorgestellt. Was meinte sie nur mit abholen? Ruhig, mit sachlicher Freundlichkeit und anscheinend gleichgültig hört mir Ibu Yanti zu. Zuletzt ist sie ratlos, weiß mit mir nichts mehr anzufangen. Sie telefoniert mit Elfi Erdmann, geht nach nebenan, bespricht sich mit ihrem deutschen Kollegen Herrn Glimm. Alles ohne Ergebnis. Auch ein weiteres Telefonat mit LIPI änderte nichts an ihrer Ratlosigkeit. Ständig zitiert sie den Kasus Frank Hagemann, eines Sprachstudenten, der auch nach Singapore ausreisen musste. Für die vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung. Frank Hagemann war mit einem Touristenvisum eingereist. Unverlängerbar. Ich hatte mit viel Mühe ein Visum Sosial Budaya aus Bonn mitgebracht. Beim DAAD vermutet man, dass LIPI das übersehen habe. Falsch entschieden sogar. Doch diese Hoffnung erweist sich schnell als haltlos. LIPI macht da keinen Unterschied. Beide werden gleich behandelt. Beide gestatten einen Aufenthalt im Land von wenigen Monaten. Wer länger bleiben will wie ich, zwölf Monate und mehr, braucht ein Visum Berdiam Sementara. Und dieses gebe es nur im Ausland.

Also Singapore. Zuerst aber ins Kantor Imigrasi. Von dort muss ein Telex mit den entsprechenden Anweisungen zur konsularischen Vertretung nach Singapore geschickt werden. Erst dann ist Singapore autorisiert, mir das gewünschte Visum auszustellen. Zurück in Jakarta muss dieses Visum dann LIPI vorgelegt werden. Was dann noch auf mich zukommt, liegt noch weitgehend im Dunkeln.

Wiederholt die gleiche Erfahrung. Wissen die beim DAAD eigentlich Bescheid? Besitzen sie wirklich die notwendigen Erfahrungen um Stipendianten bei den indonesischen Behörden zu beraten und zu betreuen? Verfügen sie über die nötigen Kontakte zu den verschiedenen indonesischen Ämtern? Wie weit
reichen denn ihre Sprachkenntnisse? Ärger und Enttäuschung haben den Punkt erreicht, wo ich ungerecht werde. Alles, was ich bisher erhalten habe, sind Halbheiten. Eine Sammlung ungenauer und falscher Auskünfte. Ich bin auf den ausdrücklichen Rat von Elfi Erdmann mit einem Sos Bud Visum eingereist. In ihrem Telex nach Bonn hatte sie mich erst vor einigen Wochen darauf hingewiesen, dass ein solches in Jakarta, mit Hilfe von LIPI, problemlos umzuwandeln sei. Und nun das! Was versteht sie wohl unter umwandeln und was unter problemlos?
Unsicherheiten, Ungenauigkeiten und fehlerhafte Auskünfte komplizieren meinen Aufenthalt in Jakarta. Ich will nicht hier sein. Nicht in dieser Megapolis. Nicht für eine längere, nicht absehbare Zeit. Meine psychische Befindlichkeit ist auf Abwärtskurs. Die neuesten Entwicklungen verschlechtern dämpfen mein Feeling und meine gerade noch optimistische Stimmung zusehends.

Mittags mit Ibu Yanti zum Kantor Imigrasi. Unterwegs fällt ihr auf, dass sie vergaß, das Schreiben von LIPI an die Einwanderungsbehörde nicht fotokopiert hat. Wichtig, aber nicht mehr zu ändern. Gleichgültigkeit. Ich bin noch immer schockiert. Denke an nichts Anderes als an die bevorstehende Reise nach Singapore. Ibu Yanti zu widersprechen oder auch nur irgendwie zu intervenieren, nehme ich ihr Versäumnis hin. Gleichgültig, energielos. Ich lasse mich treiben, trotte hinter ihr her ohne die Initiative zu ergreifen. Im Moment findet mein Leben ohne mich statt.

Im Kantor Imigrasi volle Flure, volle Büros, emsige Betriebsamkeit. Am Eingang die Tafel mit der Mitteilung sudah terlambat. Aber niemanden kümmert diese Tafel. Alles geht unerwartet schnell. Ich gebe blassgrünen LIPI-Ordner, auf dem der Vermerk Telex prangt, ab. Der Mann hinter dem Schreibtisch wirft ihn auf den gegenüberliegenden. Seine Auskunft an mich, Donnerstag, 14.00 Uhr, dann soll ich wiederkommen um eine Fotokopie des Telex nach Singapore abzuholen. Diese kann ich in Singapore vorlegen und bekomme mein Visum. Die Gebühr: 24.000 Rupiah. Fertig!
Zurück in den DAAD, anschließend zurück in die Jl. Jaksa, in der Hoffnung, diese Kopie Donnerstag wirklich zu bekommen. Heute ist Montag. Vier Tage einfach nur warten. In Jakarta. Vier feuchtheiße Tage im Smog der Großstadt. Vier Nächte Mosikitos. Wie ernüchternd. Ohne Pläne, ohne hier sein zu wollen, ohne etwas viel können. Die Zeit verstreichen zu lassen. Nur so. Bali ist weit.

Ein verspätetes Mittagessen. Auf die Schnelle. Widerwillig breche ich auf, ein Reisebüro zu suchen. Es gibt mehrere in der Umgebung. Jl. Jaksa. Traeller-Zone. Jakarta – Singapore – Jakarta: 380.000 Rupiah. Der Flug geht erst am Sonntag. Zwei weitere Tage, die ich wartend verbringen muss.
Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, sträube mich, leide unter dem Gefühl von Ohnmacht. Bilder und Erinnerungen der harmonisch in Peliatan und Ubud verbrachten Wochen bedrängen mich. Ich idealisieren, baue an meinem Alptraum Jakarta.
Ein Bummel zum Sarinah-Kaufhaus. Nachsehen, ob es im Keller noch die Cafeteria gibt. Spät am Nachmittag habe ich keine bessere Idee. Viele interessante Bücher. Kaufe ein Kamus Umum. Taschenbuchformat. Reiselektüre. Lengkap verspricht es mir. Endlich auch Mochtar Lubis, Manusia Indonesia.
Ein junger Mann aus Bogor spricht mich an. Er arbeite bei der Energieversorgung, erzählt er mir. Ein längeres Gespräch über dies und das. Small-Talk Atmosphäre. Zunehmend locker. Nurdin Hasan, so heißt er, wird zudringlicher. Anfassen, längeres Festhalten, Zwicken. Mir ist nicht wohl in meiner Haut, sehe keine Möglichkeit mich höflich aber bestimmt zurückzuziehen. Nurdin hackt nach, versucht mich zu einem Spaziergang zu überreden. Lädt mich zu sich nach Hause ein. Merkt er nicht, dass ich ihn loswerden will. Sein ständiges mich Anfassen nervt. Er wird aufdringlicher. Ich verliere die Lust auf dieses Gespräch, mache Ausflüchte, lehne ab, steige schließlich aus dem Gespräch aus. Endlich gibt er auf. Verabschiedet sich, nicht ohne mich noch einmal nach Bogor einzuladen. Ich weiß, dieser Einladung werde ich bestimmt nicht folgen. Schwul? Ich bin unsicher. In Indonesien sind Männer untereinander emotionaler, herzlicher. Körperkontakt ist nicht verpönt. Weibisch. Mir gingen Nurdin Intimitäten zu weit. Er gab die übliche Distanz und Zurückhaltung zwischen Fremden sehr schnell auf, benutzte schnell das vertraute kamu. Ich bin mindestens zehn Jahre älter als er.

Die Alternative. Ein einsames Abendessen in einem der Traveller-Restaurants auf der Jl. Jaksa. Anonymität statt Intimität. Habe ich gut gewählt? Wieder westliche Atmosphäre. Ich fühle mich nicht wohl in dieser Traveller-Atmosphäre. Sie ödet mich geradezu an. Touristen mit ihrer Arroganz und Selbstgefälligkeit. Seit Jahren überschwemmen sie West-Indonesien. Mit ihrem Geld. Glauben alles kaufen zu können. Was führt sie her? Was wollen sie von Indonesien? Billig leben. Einmal reich sein. Dieses Gefühl spüren. Macht! Ist das alles? Billig höre ich oft. Wie billig dies und das ist. Leuchtende Augen. Schwärmende Worte. Ich unterhalte mich mit einem jungen Dänen. Von Timor hatte er noch nie gehört. Kennt nicht einmal den Namen. Ich fühle mich einsam. Keine gute Einstellung, um Kontakt zu finden. Aber den suche ich auch nicht. Ich igele mich in meine Einsamkeit ein und baue an meiner eigenen Idealisierung. Spüre meine eigene Unsicherheit. War es das, was Nurdin bei mir gesehen hat und was ihn so handeln ließ?
Ich werde meine Tage in Jakarta allein verbringen. An Zweckbekanntschaften, denen ich meinen Frust aufladen kann, bin ich nicht interessiert. Keine Lust zu heucheln. So kann ich ungestört mit meinem Schicksal hadern.

Am späten Abend mit Heidrun in Ubud telefoniert. Vier Minuten sind schnell verstrichen- Sie reichen kaum für das Wichtigste. Meine finanziellen Mittel sind knapp. Wer weiß schon, wie lange ich in Jakarta festsitze. Heidrun nimmt die schlechten Nachrichten ruhig auf. Was für ein Tag. Gut, dass Heidrun und Kassandra in Ubud geblieben sind. Morgen werde ich wieder anrufen.

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