Kleidung als Wohnung des Leibes

Ikonographische Betrachtungen zur textilen Motivik der Atoin Meto in West-Timor1

Gegenstand dieser Betrachtung ist ein Aspekt der traditionellen Motivik der Atoin Meto im Territorium Amanuban (Westtimor, Indonesien), welche die Bedeutung eines textilen Verzierungselements dieser Ethnie klären soll. Paradigmatisch sollen kulturspezifische Überzeugungen verdeutlicht werden, welche die Bevölkerung Amanubans mit der Musterung ihrer Kleidung verbindet. Die Anwendung von zwei Konzepten der Neuen Phänomenologie kann der ethnologischen Forschung den Weg weisen und die Bedeutung dieses Verzierungselements und generell die Funktion verzierter Kleidung in Amanuban besser zu verstehen. Bei diesen beiden Konzepten handelt es sich zum einen um die Räumlichkeit der Gefühle, zum anderen, damit verbunden, um die Theorie der Wohnung als Umfriedung. Die Auffassung, daß in Bezug auf die Bedeutung der Motivik indonesischer Textilien allenfalls geschulte Vermutungen (educated guesses) angestellt werden können, teile ich nicht,2 vor allem, da Janet Hoskins und Danielle Geirnaert inzwischen die gewebten Botschaften der Kodi-Textilien (Westsumba) teilweise entschlüsselt haben.3

Die Atoin Meto in West-Timor

Die Atoin Meto sind eine Mittelgebirgspopulation, die das ganze zentrale Bergland West-Timors besiedelt (Abb.1), ein Gebiet, welches sie selbst das trockene Land (pah meto) nennen. Als dominierende Bevölkerung West-Timors verteilen sie sich auf zehn traditionelle Territorien mit informeller politischer Infrastruktur.

Diese Struktur existiert parallel zur indonesischen Administration und orientiert sich an den sozialen und politischen Beziehungen einflußreicher Namen-Gruppen.4 Die große Mehrheit dieser Bevölkerung lebt in lokalisierten Weilern (kuan), die von der indonesischen Administration zu großflächigen Dörfern (desa) zusammengefaßt wurden. Der Rhythmus der jährlichen Schwankungen der nassen und trockenen Jahreszeit bestimmt und reguliert die Gesamtheit des Lebens in diesen Siedlungen. Die Atoin Meto betreiben Subsistenzwirtschaft und hängen existenziell von ihren Haus- und Feldgärten ab, in welchen sie hauptsächlich Mais und verschiedene Gemüsesorten anbauen. In jedem Weiler bilden kooperative, patrilinear verwandte Haushalte (ume) den Fokus der ökonomischen, sozialen und rituellen Aktivitäten. Sind diese Aktivitäten übergeordneter Natur, so ist die Namen-Gruppe die durchführende Gemeinschaft. Jeder Atoin Meto ist durch seinen Namen Mitglied in einer dieser patrilinearen und exogamen Gruppen, die sich auf ein definiertes Territorium (pah ma nifu) bezieht. Dieses besteht aus einer Vielzahl von benannten Orten, deren Geschichte bis in den unmittelbaren Alltag des Einzelnen hineinreicht, ihn an die längst vergangenen Ereignisse erinnert, die seiner Namen-Gruppe Bestand und Identität verleihen.

Copyright 1995 und 2013. All Rights Reserved (Texte und Fotografien)

Die Texte der Atoin Meto-Forschungen sind urheberrechtlich geschützt. Die Seiten (Websites) Kleidung als Wohnung des Leibes dürfen nicht kopiert und die Inhalte nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jegliche unautorisierte gewerbliche Nutzung ist untersagt.

Pages: 1 2 3 4 5 6 7 8

  1. Hinterlasse einen Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar